Als mir Eckhard Meier die abgeschnittene Blüte eines Disocactus aurantiacus mitbrachte, war ich zunächst erstaunt über die leuchtende Orangefärbung der Blüte. Eckhard schwärmte von den schönen und haltbaren Blüten, erwähnte aber gleichzeitig die problematische Kultur der verschiedenen Disocactus aurantiacus Klone. Nach einiger Zeit bekämen die Pflanzen eigenartige Verkorkungen und Eintrocknungen, die ganze Pflanzenteile zum Absterben brächten. Ich betrachtete die Blüte genauer, sie schien wie gelackt und sie erinnerte mich an Farben auf japanischen Lackdosen. Einen derartig intensiven und leuchtenden Farbton hatte ich bei Kakteen noch nicht gesehen. Ich ließ die Blüte im Gewächshaus halbschattig liegen und war erstaunt, daß sie nach Tagen noch nicht verwelkt war.
Abb.1 Disocactus aurantiacus ISI 826.
Mein Interesse an Disocactus aurantiacus war geweckt. Bei einem Besuch im Herbst konnte ich Eckhards Pflanzen in Augenschein nehmen und auch die beschriebenen Probleme erkennen. Die Pflanzen machten einen strapazierten Eindruck, und es war nur schwer vorstellbar, daß. diese stark in Mitleidenschaft gezogenen Pflanzen derartig schöne Blüten hervorbringen sollten. Mein erster Gedanke war, daß irgendetwas mit der Kultur nicht stimmen konnte. Wir diskutierten ausgiebig über alle möglichen Gründe für diese Verkorkungen, von denen ausgehend ganze Triebteile vertrockneten, und wie man hier Abhilfe schaffen könnte. In Eckhards bekannt freizügiger Weise wurde alsdann das Messer gewetzt und Stecklinge geschnitten. Wieder zu Hause überlegte ich, wie ich die Stecklinge heil über den Winter bringen konnte, immerhin hatten wir schon Ende Oktober. Ich entschied mich für das Pfropfen der Stecklinge. Gesagt, getan, schnell waren geeignete Hylocereus undatus Unterlagen gefunden und die verschiedenen D. aurantiacus Klone gepfropft. Den Winter überstanden die Pfropfungen mit anderen Veredelungen und weiteren Epiphyten gemeinsam im Vermehrungsbeet bei etwa 10 Grad Celsius. Zeitig im Frühjahr fingen die Pfröpflinge an zu treiben und zeigten auch bald das von Eckhard beschriebene anfänglich gute Wachstum. Eckhard hatte auf allen Stecklingen die genaue Bezeichnung, ISI-Nummern, etc. vermerkt. Was mich nachdenklich machte, war die Bezeichnung "Glatz/Kamm, Honduras 1800 m" auf dem dritten Klon. Mir wurde klar, diese Epiphyten benötigen Halbschatten, viel frische Luft und kühlere Temperaturen im Sommer. Ab Ende Mai hängte ich daher alle meine D. aurantiacus an einen schattigen Platz in den Garten, band die Hängetöpfe fest und überließ die Pflanzen sich selbst.
Abb.2 Disocactus aurantiacus, Honduras Form.
Unterdessen hatte ich von den D. aurantiacus Stecklingen Vermehrungen gemacht, die ich leicht schattiert im Gewächshaus kultivierte. Es zeigte sich sehr bald,
daß auch bei schattiger Kultur die Temperaturen im Gewächshaus im Sommer zu hoch wurden bei gleichzeitig zu geringer Luftfeuchtigkeit. Die anfänglich sattgrüne Farbe der Epidermis veränderte sich zusehends nach stumpf-graugrün und die D. aurantiacus stellten daraufhin das Wachstum ein, ein Indiz dafür, daß die
Pflanzen sich zunehmend in einer Ruhe-, wenn nicht sogar Streßsituation befanden. Kurz entschlossen stellte ich die Pflanzen an einen halbschattigen Platz in den
Garten und siehe da, in kurzer Zeit wurden die Triebe wieder sattgrün und es bildeten sich neue Austriebe. Meine Vermutung, daß die Pflanzen bisher wohl zu warm
und zu hell kultiviert wurden, bestätigte sich.
Aber es war ja das erste Jahr der Kultur und erst einmal mußten die D. aurantiacus nochmals über den Winter
kommen, im Frühjahr blühen und dabei nicht diese schorfartigen Verkorkungen bzw. Eintrocknungen bekommen. Vorsicht war also nach wie vor angesagt.
Über den Sommer hatten einige der Klone Triebe bis zwei Meter Länge entwickelt. Mir blieb also nichts anderes übrig, als im Herbst meine D. aurantiacus in den
First des Gewächshauses zu hängen. Von Zeit zu Zeit wurden sie mit den anderen Epiphyten vorsichtig gegossen. Die Überwinterung bei ca. 10 Grad Celsius machte
keinerlei Probleme, und ab April hängte ich die Pflanzen dann an die rückwärtige, absonnige Giebelwand des Gewächshauses.
Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die ersten Knospen an den unterschiedlichen Klonen gebildet und von Verkorkungen oder dergleichen war nichts zu sehen.
Was sich in der Folgezeit an Blüten entwickelte, versetzte selbst einen durch Blütenpracht verwöhnten Liebhaber, wie mich, in Staunen. Einen Farbton in dieser
Qualität und Intensität kannte ich von keiner epiphytischen Kakteenart. Die Größe und Haltbarkeit der Blüten bei den im Vergleich dünnen bis sehr dünnen Trieben läßt dem
passionierten Pflanzenliebhaber das Herz höher schlagen. Die erfolgreiche, langjährige Kultur dieser pflegenswerten Epiphyten ist also ein lohnendes Ziel.
Jeder Liebhaber sollte sich darüber im klaren sein, daß kein Substrat oder Dünger, kein noch so schönes Gewächshaus die sensible Aufmerksamkeit und das
Einfühlungsvermögen des Pflegers für seine Pfleglinge ersetzen kann. Es bedarf keiner großen Vorstellungskraft, daß Epiphyten, die in den natürlichen
Verbreitungsgebieten Mittelamerikas in 1800 m Höhe, in Laub abwerfenden Eichenwäldern oder in Gemeinschaft mit ausgesprochenen Kalthausorchideen
(Ondontoglossum)
wachsen, nicht in überhitzten, vollsonnigen Gewächshäusern auf Dauer erfolgreich kultiviert werden können. Man versuche sich einmal vorzustellen, welchen
Temperaturdifferenzen diese Pflanzen bei Tag und Nacht in der Natur ausgesetzt sind. Und in unserer Gewächshaus Kultur? Mittelamerika und seine Regenwälder sind
einfach nicht vergleichbar mit den Klimazonen von Kakteen aus anderen Gebieten.
Sehen wir uns aber einmal in den Gewächshäusern der Liebhaber um,
dann wird oftmals Querbeet von Mexiko bis Patagonien, von Astrophyten über Epiphyten bis zu den Chilenen alles gepflegt bei sommerlichen Temperaturen von nicht
selten über 40 Grad Celsius, ungenügender Luftzirkulation und absolut ungenügender Luftfeuchtigkeit.
Es gilt also vor allem, die klimatischen Bedingungen bei der Kultur so weit wie möglich an die Gegebenheiten der Ursprungsorte von Disocactus aurantiacus
anzupassen. Wem dies mit der nötigen Aufmerksamkeit gelingt, hat schon gewonnen.
Der größte Teil der Kulturprobleme mit den herrlichen D. aurantiacus-Formen beruht meines Erachtens auf der Nichtbeachtung dieser existentiellen
Kulturerfordernisse. Höhere Temperaturen, speziell im Sommer, werden übrigens bei gleichzeitig höherer Luftfeuchtigkeit gut kompensiert und vertragen. Mit
Ausnahme von D. aurantiacus var. blomianus
bilden alle anderen D. aurantiacus Klone lange Triebe aus, was durch seitliches Austreiben in der Nähe der Triebspitzen noch verstärkt wird. Um die Pflanzen in
pflegbaren Größen zu halten, sollten diese Austriebe möglichst entfernt und vorzugsweise basale Triebe im unteren Drittel der Pflanzen zugelassen werden. Dies sichert auf
Dauer handliche, kompakte und
pflegeleichte Pflanzen. Wer kann schon D. aurantiacus Exemplare mit einer Länge von drei Metern problemlos kultivieren?
Die erfolgreiche langjährige Kultur von epiphytischen Kakteen hängt ganz entscheidend vom Substrat ab. Das Epiphyten-Substrat ist eben mehr als nur ein Haltemedium
für die Pflanzen. Dies wird dem Kultivateur immer dann besonders deutlich vor Augen geführt, wenn es sich um sogenannte empfindliche Epiphyten handelt, die an
spezifische klimatische Bedingungen angepasst sind.
Das geeignete Substrat für epiphytisch wachsende Kakteen ist durch folgende Faktoren gekennzeichnet:
- strukturstabile Konsistenz
- großer Porenraum Verbunden mit gutem Lufthaushalt
- gutes Wasserhaltungsvermögen
- gute PH-Puffereigenschaften sowie
- aktives mikroorganisches Leben

Abb.3 Disocactus aurantiacus ISI 827.
Eindeutig liegt nach meiner Erfahrung Torfmoos Sphagnum hier an erster Stelle. Dies gilt besonders dann, wenn es sich um empfindliche Epiphyten handelt, von denen nichts oder nur wenig über die Kultur bekannt ist, oder die sich unter unseren Kulturbedingungen nur schwer wurzelecht kultivieren lassen. Besonders in der Bewurzelungsphase ist dieses Substrat wegen seiner enormen Luftdurchlässigkeit bei gleichzeitigem idealen Wasserhaushalt hervorragend geeignet. Die Orchideenzüchter vergangener Tage wußten sehr genau, warum sie bevorzugt Sphagnum einsetzten. Das einzige Problem ist die Beschaffung in größeren Mengen. Aus diesem Grund habe ich mich bereits vor zwanzig Jahren intensiv einem anderen Substrat zugewandt: Rindenmulch. Um es vorwegzunehmen, ich halte es für das beste verfügbare und vor allem leicht zu beschaffende Epiphyten-Substrat überhaupt. Allerdings sind beim Rindenmulch einige Faktoren zu beachten, die über Erfolg und Mißerfolg entscheiden. Rindenmulch kommt in den unterschiedlichsten Formen, Körnungen und durch eine Vielzahl von Produzenten in den Handel und ist dabei in keiner Weise standardisiert. Die besten Erfahrungen habe ich mit dem Rindenmulch LIGNOSTRAT, Typ Mulch, Körnung 10 bis 40 mm, gemacht. Die Körnung ist für alle Epiphyten geeignet, einschließlich der Stecklinge. Nur bei großen Phyllokakteen verwende ich zusätzlich noch grob gehäckseltes Material, wie Äste und dergleichen, zur zusätzlichen Durchlüftung des Substrats. LIGNOSTRAT, Typ Mulch, ist lediglich zerkleinert, ohne jeden Zusatz, und wird in grünen 80 I Säcken geliefert, erhältlich in jedem Gartencenter. Es ist bereits die ideale Grundlage für unser Epiphyten-Substrat, dem nur noch geeignete Zusätze, wie Mineralien und Vorratsdünger, beigefügt werden. Auf einen 80 I Sack gebe ich noch ca. 300 g Urgesteinsmehl, 100 g. Thomasmehl, 500 g. getrockneten Kuhdung und als Vorratsdünger etwa 200 g. Hornmehl.
Mische das Ganze gut durch, fülle es wieder in den Sack und verwende es nach Bedarf.
Im Rindenmulch bildet sich in kurzer Zeit ein sehr reiches mikroorganisches Leben, was alle Epiphyten lieben und benötigen. Sehr wichtig ist der Anteil von
Urgesteinsmehl, da Urgesteinsmehl eine Vielzahl von
Mineralien und Spurenelementen, insbesondere Kieselsäure, enthält.
Für die D. aurantiacus-Kultur setzt man vorzugsweise kleine Töpfe mit geringem Wurzelraum ein. Das Umpflanzen sollte dabei so lange wie möglich vermieden werden.
Durch Abregnen der Pflanzen im Sommer wird für sehr lange Zeit der pH-Wert zwischen 6.5 und 7.0 im Wurzelbereich gehalten, so daß kein Grund für ein Umpflanzen
besteht. Jedes Umpflanzen ist ein Eingriff in den empfindlichen Wurzelbereich, der immer unweigerlich auch die Beschädigung von Wurzelmasse zur Folge hat, was zu
vermeiden ist. Wird das Umtopfen dringend erforderlich, dann sollte der neue Topf maximal eine Nummer größer als der alte gewählt werden. Insbesondere in der
Bewurzelungsphase ist auf kleine Pflanzgefäße zu achten und umgesetzt wird erst, wenn der gesamte Ballen durchwurzelt ist. Beim Umtopfen wird auf keinen Fall das
neue Substrat zu fest angedrückt. Lediglich seitliches Beifüllen und vorsichtiges Andrücken erhält die lockere Konsistenz des Substrats und gibt den Wurzeln die
Möglichkeit, die neue Erde schnell und vollständig zu durchwurzeln.
D. aurantiacus bevorzugt gleichmäßige Feuchtigkeit im Substrat mit höchstens kurzfristiger Trockenheit, auch im Winter. Absolute Wintertrockenheit läßt die
schlanken Triebe, besonders die des Klon III, in kurzer Zeit welken und vertrocknen. Auf zu viel oder gar stehende Nässe im Substrat reagiert D. aurantiacus mit
Wurzelfäule oder Wurzelverlust.

Abb.4 Disocactus aurantiacus var. blomianus.
Die Sommerkultur im Freien an absonniger Stelle sichert den Pflanzen die nötige frische Luft. Aufmerksame Beobachtung zeigt den Zustand der Pflanzen und läßt schnelle Eingriffe und Veränderungen zu. Auf keinen Fall darf D. aurantiacus im Sommer der heißen Nachmittagssonne ausgesetzt werden! In den Wintermonaten sollten die Pflanzen die blütenfördernde, nicht zu intensive Wintersonne an einem exponierten Platz genießen.
Um die Gesundheit der D. aurantiacus Kultivare zu fördern und zu erhalten, um insbesondere auch das Leben von Mikroorganismen im Substrat zu fördern, empfehle ich folgende pflanzenhygienischen Maßnahmen:
Abb.2 Disocactus aurantiacus, Klon Krahn.
Während des Wachstums, aber auch das ganze Jahr über, ist das Gießen und Spritzen der Pflanzen mit Schachtelhalm-Lösung äußerst vorteilhaft. Die Lösung kann selbst aus dem bekannten Ackerschachtelhalm, Equisitum arvense, direkt oder aus käuflichen Präparaten hergestellt werden. Die im Schachtelhalm wirksame Kieselsäure wird schnell durch die Epidermis der Pflanzen aufgenommen und ist im Hinblick auf die Gewebefestigkeit sehr zu empfehlen. Schachtelhalm ist ein präventives Mittel gegen Pilzbefall an Epiphyten, speziell bei Epiphyten mit nicht zu fester Epidermis, wie im Fall des D. aurantiacus Klon III. Auch das Substrat sollte regelmäßig mit Schachtelhalm abgespritzt werden, da in aller Regel Pilzinfektionen vom Substrat ausgehen.
Ich empfehle Schachtelhalm ausdrücklich deswegen, weil nach meiner Ansicht die Verkorkungen und glasigen Flecken auf den D. aurantiacus auf Einwirkung durch Pilze zurückzuführen sind. An allen meinen Pflanzen konnte ich bis heute - dank Schachtelhalm - keine der geschilderten Probleme feststellen.
Ein weiteres Mittel, das ich empfehlen kann, ist Algenkonzentrat. Erhältlich als ALGAN im Handel, verhindert es den Mangel von Spurenelementen in der Pflanze und im Substrat durch ca. 100 verschiedene Spurenelemente. Über die Wichtigkeit des Vorhandenseins von Spurenelementen im Substrat braucht wohl nicht mehr diskutiert zu werden. Epiphyten werden durch Algenkonzentrat wesentlich gesünder und viel weniger anfällig gegen alle Arten von Mangelerkrankungen. Regelmäßiges Gießen und Spritzen der Pflanzen, etwa alle drei Wochen, wird seine Wirkung daher nicht verfehlen.
Wer es besonders gut meint mit seinen Pfleglingen, dem empfehle ich letztlich noch den sommerlichen Einsatz von vergorener Brennesseljauche. Dabei ist darauf zu achten, daß die Brennesseljauche gut vergoren ist, was im Sommer nach etwa 4-6 Wochen der Fall ist, da Brenesseljauche sonst einen sehr unangenehmen Geruch entwickelt. Erst nach vollendeter Gärung ist die volle Wirkung vorhanden. Die Wirkung basiert auf dem Vorhandensein einer Vielzahl von Schleimstoffen, den hohen und den Pflanzen schnell zur Verfügung stehenden Eisenmengen und auf dem hohen Stickstoffanteil, der eine milde Kopfdüngung der Epiphyten zuläßt.
Der regelmäßige Einsatz der genannten Mittel ermöglicht mit großer Sicherheit eine gesunde Kultur von D. aurantiacus über viele Jahre hinweg. Ich kann nur allen Epiphyten-Liebhabern mit dem nötigen Fingerspitzengefühl die Kultur der vorgestellten D. aurantiacus Formen empfehlen. Lediglich die Honduras-Form, Klon III, ist meines Erachtens etwas für erfahrene Liebhaber. Ansonsten - ein Versuch lohnt: Die Blüten werden Sie für Ihre Pflege reichlich entschädigen!
Der Artikel 'Zur Kultur von Disocactus aurantiacus', wurde 1997 in der
'KuaS' zusammen mit Eckhard Meiers Artikel
'Über Disocactus aurantiacus und seine Formen' veröffentlicht.
Wiedergabe des Artikels mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der KuaS.
