In den späten 50-er Jahren besuchte Mr. Alfonce Henry Heller (1894 - 1973) den botanischen Garten der University of California in Berkeley (nahe San Francisco), um sich die dortige Orchideensammlung anzusehen. Bei dieser Gelegenheit traf er den späteren Kurator des Huntington Botanical Garden und bekannten Spezialisten für epiphytische Kakteen, Myron Kimnach, der zur damaligen Zeit noch in Berkeley angestellt war. Heller war als Bergbauingenieur erfolgreich im Ölgeschäft tätig und hatte sich eine bedeutende Orchideensammlung in San Marino (bei Los Angeles) aufgebaut, bevor er sich auf seinen Besitz in Nicaragua zurückzog, wo er sich neben archäologischen Studien vor allem der Orchideenjagd widmete. Auf Wunsch Kimnachs sammelte er fortan auch epiphytische Kakteen, von deren Vorkommen in Nicaragua man damals nur sehr vage Kenntnisse besaß. Unter den zahlreichen Hylocereen, Selenicereen und Epiphyllen, die Heller in der Folgezeit nach Berkeley sandte, war auch eine Pflanze, die durch ihre schmalen, kaum bedornten und straff hängend wachsenden, langen Flachtriebe auffiel, die Kimnach zunächst für eine mögliche neue Weberocereus-Art hielt, eine Vermutung, die sich bald darauf aber als unvereinbar mit einer brieflichen Mitteilung Hellers erwies, in der dieser berichtete, dass die ca. 12 Fuß (ca. 4 m) langen Sprosse nahe an den Spitzen glänzend rote Tagblüten hervorbrächten, die zudem ca. 4 bis 5 Zoll (10 - 12,5 cm) lang und ebenso breit wären. Er habe diese Pflanze (im Folgenden Klon I genannt) nur auf einem einzigen Baum nahe dem Ort Jinotega epiphytisch wachsend vorgefunden (vgl. Karte) und bei seinem zweiten Besuch nur einige wenige kümmerliche Reste retten können, nachdem der Baum offenbar durch Blitzschlag arg ramponiert worden war.

Disocactus aurantiacus ISI 827
Im April 1960 sandte Heller Exemplare aus einer weiteren Sammelreise nach Berkeley, die nur ca. 1,6 km vom ersten Fundort entfernt entdeckt worden waren (vgl. Karte). Die Triebe dieser Pflanzen (im Folgenden Klon II genannt) waren jedoch nicht zweikantig, sondern wiesen drei bis vier Rippen auf, und die noch vorhandenen, vertrockneten Blütenreste an ihnen ließen zum ersten Mal den Verdacht aufkommen, daß es sich bei beiden Aufsammlungen möglicherweise um eine neue Art der Gattung Heliocereus handeln könnte, einem Genus, von dem man bis dato angenommen hatte, dass es nicht weiter südlich als Guatemala vorkommen würde. Klon I und II blühten bald darauf zum ersten Mal in der Kultur, und es bestätigte sich, dass beide trotz habitueller Unterschiede ein und derselben, bislang unbekannten Art der Gattung Heliocereus angehörten.
Ihre Erstbeschreibung verzögerte sich jedoch um viele Jahre, da etwa zur gleichen Zeit Pflanzen aus zwei Aufsammlungen in Honduras nach Berkeley gelangten, die von dem auch hierzulande bekannten, vor kurzem verstorbenen Sammler Clarence Kl. Horich in den Jahren 1957
und 1962 gemacht worden waren und äußerlich denen des Klon II ähnelten. Dieses Material, das ca. 110 bzw. 160 km vom nicaraguanischen Jinotega entfernt nahe den Orten San Juancito (Dept. San Francisco Morazan, Honduras) und Danli (Dept. El Paraiso, Honduras, vgl. Karte) gefunden wurde, sollte erst noch zur Blüte gebracht werden, um ein umfassenderes Bild von der Variationsbreite dieses neuen Taxons zu erhalten. Die Pflanzen erwiesen sich aber als äußerst empfindlich in der Kultur und gingen nach und nach ein, ohne vorher geblüht zu haben. Da auch ein Nachsammeln zur damaligen Zeit nicht möglich war, entschloss sich Kimnach zur Neubeschreibung auf der Basis der beiden erwähnten Neufunde aus Nicaragua, die dann auch in größerem Maßstab vermehrt und Anfang der 70-er Jahre als "International Succulent Introductions" (ISI) den interessierten Liebhabern in aller Welt zugänglich gemacht wurden, und zwar unter den ISI-Nummern 826 (Klon I) und 827 (Klon II). Dennoch sind diese Pflanzen, insbesondere die zuletzt genannte, immer rar in den Sammlungen geblieben, was seine guten Gründe hat, worauf weiter unten noch eingegangen wird.
Beschreibung von Heliocereus aurantiacus Kimnach 1974 (vgl. Pflanzenzeichnung)
Spross:
Matt hellgrün, bis 3 m und mehr lang, 1,5 - 3 cm (Klon I) bzw. 1 - 2 cm (Klon II) breit, sich seitlich verzweigend und mehr oder weniger straff hängend, Rand stufig gekerbt; Areolen ca. 3 - 4 cm voneinander entfernt, mit bis zu 30, meist aber nur 3 - 6, ca. 1,5 cm langen, hellen und flexiblen
Haardornen besetzt.
Blüten:
An der oberen Hälfte der Triebe, oft nahe den Spitzen, mitunter auch terminal erscheinend, glockenförmig (Spitzen der Blütenblätter auswärts gebogen), 11 - 15 cm lang und breit, rein orange, zum Schlund hin mit wachsendem Rotanteil; Schlund grün; Staubgefäße in 2 Serien, in Folge der Schwerkraft nach unten hängend und so lang wie oder etwas länger als die Blüte, Staubfäden orange bis rötlich orange, ganz oben und unten fast weiß, Staubbeutel hellgelb; Griffel von etwa gleicher Länge wie die Staubgefäße (Klon II) oder diese um 1 - 1,5 cm überragend (Klon I), oben orange, an der Basis weiß, Narbe mit 8 - 9, hell violettfarbenen Narbenstrahlen; das Pericarpell und die unteren Partien des Rezeptaculums sind im Gegensatz zu allen andern Heliocereen nur noch mit wenigen flexiblen, glasigen Haarborsten bekleidet.
Frucht:
Elliptisch, rund bis leicht kantig, 7 cm lang, 3 cm breit, dunkelgrün, bei starkem Licht rötlich überhaucht; Areolen mit kleinen, zum anhaftenden Blütenrest hin länger werdenden Schuppen und haarartigen bis borstigen hellen Dornen besetzt.
Samen: Schwarz, dicht gepunktet, oval, ca. 2 mm lang, 1,25 mm breit und 0,75 mm dick; Hilum nahezu parallel zur Hauptachse angeordnet.
Im Jahr 1982 hatte ich Gelegenheit, einige Kakteenfreunde im Raum Stuttgart zu besuchen, wo ich zu meiner großen Überraschung Heliocereus aurantiacus in mehreren Sammlungen vorfand. Die Triebe dieser Pflanzen ähnelten denen des Klon II, unterschieden sich aber äußerlich durch die hellere grüne Färbung und durch den geringeren Durchmesser der Sprosse. Wie ich erfuhr, stammte dieses Material - wie die ehemaligen Horich-Pflanzen - aus Honduras, wurde aber erst viel später während einer gemeinsamen Orchideen-Sammelreise von den Herren Kamm aus Honduras und Anton Glatz aus Korntal-Münchingen entdeckt und durch letzteren in der Stuttgarter Gegend verbreitet. Leider konnte mir Herr Glatz den genauen Fundort auch nach Rücksprache mit Herrn Kamm nicht mehr nennen; er könne sich nur erinnern, dass sie die Pflanze (im Folgenden Klon III genannt) auf einem Baum in 1800 m Höhe zusammen mit Odontoglossum cordatum und einem rosa blühenden Weberocereus 1) epiphytisch wachsend vorgefunden hätten. 2)
Dieser Klon hat inzwischen auch bei mir wiederholt geblüht, und obgleich es sich hier in streng wissenschaftlichem Sinn um kein authentisches Material handelt, so besteht jedoch überhaupt kein Zweifel daran, daß wir es hier mit einer abweichenden Form, eventuell sogar mit einer neuen Varietät des Heliocereus aurantiacus zu tun haben, was aber durch weitere Studien am Standort erst noch abgeklärt werden müsste, womit jedoch auf Grund der andauernden instabilen politischen Lage in dieser Region momentan wohl nicht zu rechnen ist. Über die bereits genannten habituellen Merkmale hinaus unterscheidet sich Klon III vor allem durch die Blüten (siehe Bild 3), die, obgleich sie sich weniger weit und eher trichterförmig öffnen, mit 16 - 18 cm Länge und Breite deutlich größer werden und an den dünnen Trieben geradezu riesenhaft anmuten. Die Blütenblätter sind schmaler und spitzer auslaufend, die Staubgefäße und der Griffel deutlich kürzer, und die Bedornung an Pericarpell und Rezeptaculum sowie auch an der insgesamt etwas kleineren Frucht ist nochmals deutlich reduziert.

Tafel 1
1 Sprossachsen (x 0,5);
2 Blüte, Seitenansicht (x 0,5);
3 Längsschnitt durch die Blüte (x 0,5);
4 Rezeptaculum (x 1,5);
5 Blütenschuppe mit Dornen (x 5);
6 Fruchtende Sprossachse (x 0,5);
7 u. 8 Samen (x 20)
Zeichnung von May Blos (1970-71), aus Cact.Succ. 46(2):68, 1974., Darstellung des Helianthocereus aurantiacus.
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Myron Kimnach.

Abb. 1 Disocactus aurantiacus ISI 826, Klon 1
Vor kurzem berichtete Vollmer (1995) von einem weiteren Fundort von Heliocereus aurantiacus in El Salvador, wo er die Pflanze (Sammelnummer BV 112085) in 1800 m Höhe in der Nähe der Stadt Apaneca in einem sehr dunklen Wald vorfand, der sich an den steilen Kraterwänden des erloschenen Vulkans gleichen Namens oberhalb der Stadt erstreckte (vgl. Karte). Laut Vollmer hat dieser Klon leicht gekerbte, dreikantige Triebe von ca. 2 m Länge bei nur ca. 3 - 5 mm Durchmesser. Aus den Areolen kommen bis zu 15, ungefähr 1,5 cm lange bräunliche, später grau werdende, borstenartige Dornen, die z.T. stechend sind. Die Blüten sind orange, ca. 10 cm lang und breit; die Staubbeutel sind gelb, der Griffel ist orange, die Narbe weiß. Der Autor bemerkt, dass es am Fundort so dunkel gewesen sei, dass Fotoaufnahmen nicht möglich gewesen wären. Zu der spärlichen epiphytischen Begleitvegetation gehörten Dryopteris palmata, Nephrolepis pendula und verschiedenen Formen von Tillandsia guatemalensis. An helleren Orten ganz in der Nähe wuchsen Tillandsia magnusiana, Tillandsia vicentina var. wuelfinghoffii und Tillandsia rodriguezina x vicentina, ferner Encyclia ochracea, Lycaste sulphurea, Lycaste skinneri sowie als größere Population Hippeastrum scolopetrinum. Weiter unten am Ufer des Kratersees fand er inmitten verschiedener Vriesea-, Oncidium- und Odontoglossum-Arten völlig überraschend Epiphyllum anguliger (Lem.) G.Don., unsern bekannten "Sägezahnkaktus" aus Südmexiko, und am Rande einer nahegelegenen Schlucht noch einen weiteren Kaktus, der wie eine Miniaturausgabe von Selenicereus (Deamia) testudo (Karwinsky) Buxbaum aussah, der aber noch nicht in der Kultur geblüht hat. Vollmer erwähnt des Weiteren auch, dass er seinen Fund an seinem in 800 m Höhe gelegenen, viel wärmeren Wohnort erfolgreich weiterkultiviere, wobei keine Angaben über mögliche habituelle Veränderungen gemacht werden, so dass man wohl davon ausgehen kann, dass die oben geschilderten Abweichungen nicht nur als sekundäre Folgen der unge-
wöhnlich dunklen Umgebung zu deuten sind. Mir ist die Pflanze zwar nicht bekannt, aber es scheint sich zu bestätigen, dass Heliocereus aurantiacus ziemlich unterschiedliche Formen je nach Herkunft aus Nicaragua, Honduras oder El Salvador hervorbringt, die sich hinsichtlich der Sprossform, der Bedornung der Sprosse, ferner in der Länge und Dicke der Triebe, in den Blütengrößen sowie in dem Grad der Bedornung von Blüte und Frucht recht deutlich unterscheiden können.
Noch bis vor nicht allzu langer Zeit führten einige amerikanische Spezialgärtnereien einen schönen Epiphyten in ihrem Angebot, der sich jahrzehntelang hinter der Maske des altbekannten Heliocereus elegantissimus< verbergen konnte, und als solcher in Pflanzenlisten und Katalogen in Wort und Bild erschien, so dass er unter diesem Namen vielleicht noch heute hier und da in Privatsammlungen "herumgeistert". Die wahre Identität dieser Pflanze wurde aber erst 1990 durch Kimnach geklärt, nachdem Kenner epiphytischer Kakteen schon des Längeren vermuteten, dass es sich bei ihr keineswegs um jenen Heliocereus elegantissimus handeln konnte, dessen Erstbeschreibung in dem Britton & Rose'schen Werk "The Cactaceae" erschienen war (Britton & Rose 1920). 3) Im Gegensatz zu diesem Kaktus, der viel kräftigere, stärker bewehrte und aufrecht bis spreizend wachsende Triebe besitzt 4), an denen mit stechenden Dornen versehene, 10 - 13 cm breite, rote Blüten erscheinen, ähnelt die hier vorgestellte Pflanze eher einem Heliocereus aurantiacus vom Typ des Klon II oder III, unterscheidet sich jedoch von diesen durch viel kürzere, aber stärkere Sprosse, deren 3 bis 4 Kanten deutlicher ausgeprägt sind und bei üppigem Wachstum oder bei Pfropfungen fast flügelartig ausgebildet sein können. Die mehr ins Rotorange gehenden Blüten, in denen violettfarbene Staubbeutel ins Auge fallen, werden noch größer und öffnen sich fast radförmig zu beachtlichen Breiten von 18 - 20 cm und mehr (siehe Abb. 4).

Abb. 2 Disocactus aurantiacus ISI 827, Klon 2
Der genaue Fundort dieses vermeintlichen "Heliocereus elegantissimus" ist nie offiziell genannt worden, lässt sich aber mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Grund verschiedener Quellen rekonstruieren. In den Feldaufzeichnungen des Entdeckers, des bekannten, auch schon verstorbenen Sammlers und Pflanzenkenners, Tom MacDougall, berichtet dieser in einem Eintrag vom 20.4.1955 (MacDougall 1973, S. 33), dass er Heliocereus-Stecklinge, darunter ein "Heliocereus elegantissimus", zum Hause des Anthropologen-Ehepaars Blom in San Christobal de las Casas, Chiapas, gebracht hätte, wo er sie auch noch im Jahre 1971 üppig wachsend vorgefunden habe. Vom Garten der Bloms aus kam die angebliche "Elegantissimus" dann im Jahre 1962 nach Berkeley, wo 1972 auch ein Herbarpräparat angefertigt und der California Academy of Sciences überlassen wurde. Erst viel später gelangten dann Vermehrungen zu den schon erwähnten Spezialgärtnereien, in deren Katalogen die Pflanze daraufhin in den 70-er und 80-er Jahren erschien (z.B. California Epi Center, Hurst Nursery, Rainbow Gardens, Kelly's Epiphyllum Collection). Harry Johnson von Johnson's Cactus Gardens (ehemals Paramount, später Fallbrook) erhielt Stecklinge zur gleichen Zeit wie Berkeley auf Grund persönlicher Beziehungen zu MacDougall, so dass er "Heliocereus elegantissimus" bereits 1965 in seinem Firmenkatalog farbig abgebildet für damals stolze 3.50 US-Dollar zum Verkauf anbieten konnte 5). Prof. Dr. Helia Bravo-Hollis zeigt ein Photo unserer Pflanze im Band I ihres Werks "Las Cactaceas de Mexico" und bezeichnet sie hier als "Heliocereus sp. MacDougall". Sie bestätigt, dass sie im Hause Blom
in San Christobal de las Casas in Kultur stehen würde, und dass sie laut einer Information MacDougalls vom Cerro Sabandillo nahe dem Rio Mono Blanco aus der Sierra de Oaxaca nördlich des Ortes Zanatepec stamme (vgl. Karte), wo sie zusammen mit Disocactus (Pseudorhipsalis) macranthus (Alexander) Kimnach & Hutchison im laubwerfenden Eichenwald wachse. Es gelte, die Pflanze weiterhin unter Beobachtung zu halten, und falls sie sich als neue Art erweise, möge sie auf Wunsch ihres Entdeckers nach den Bloms benannt werden (Bravo 1978, S. 433/434, Fig.255).
Kimnach (1990) weist darauf hin, dass der oben erwähnte Fundort nicht in Oaxaca, sondern bereits in Chiapas liege, wenn auch nicht weit entfernt von der Grenze beider Bundesstaaten. Er bemerkt, dass Bravo zwar keine MacDougall-Feldnummern erwähne, dass er aber annehme, dass unser Heliocereus mit der Sammelnummer A.202 identisch sei, die der Entdecker zum ersten Mal am 6.März 1951 in dessen Aufzeichnungen (l.c., S. 25) aufführe, in denen es heiße (frei übersetzt): "Wir klettern auf den kleinen Gipfel des Sabandillo im Nebelwald, ca. 5000 Fuß (ca. 1700 m) hoch. Hier sammle ich Heliocereus (A.202) und Pseudorhipsalis macrantha (A.203). Ich photographiere und beschreibe den Heliocereus." 6) Ein Jahr später, am 7.3.1952, weilt MacDougall erneut an diesem Ort. Auch hierzu (l.c., S.27) gibt es den kurzen Eintrag: "Gipfel des Sabandillo, 5000 Fuß (oberhalb des Rio Mono Blanco). Ich photographiere und mache eine weitere Aufsammlung von Heliocereus (A.202)", so dass wohl davon auszugehen ist, dass die Herkunft unseres Heliocereus einigermaßen gesichert ist.

Abb. 3 Disocactus aurantiacus, Honduras Form Klon 3
Obgleich Kimnach sich seit langem darüber klar war, dass dieser Neufund keinesfalls Heliocereus elegantissimus Br.& R. sein konnte, verzögerte sich seine Neubeschreibung, da er zunächst erwartet hatte, dass dies durch Bravo geschehen würde. Diese teilte ihm aber erst viel später mit, dass sie über kein lebendes Material mehr verfüge, und dass er mit der Neubeschreibung voranschreiten möge. Kimnach, der sich besonders gut bei den Heliocereen auskennt (vgl. Kimnach 1962), sieht eine nahe Verwandtschaft zu Heliocereus aurantiacus, glaubt aber, dass dieser Chiapas-Klon durch Unterschiede im Habitus und in der Größe und Farbe der Blüten, ferner durch das stärker bedornte Rezeptaculum, nicht zuletzt auch durch die im Gegensatz zur Normalform violettfarbenen Staubgefäße genügend differenziert sei, um als Heliocereus aurantiacus-Varietät bestehen zu können (Kimnach 1990), eine Meinung, der wir uns voll anschlieáen können. Dem Wunsche MacDougalls folgend benennt er sie zu Ehren von Duby Blom, die sich über viele Jahre hinweg vehement für die Erhaltung des Regenwaldes in Chiapas eingesetzt hatte. Ihr Ehemann war ein über die Grenzen Mexikos hinaus bekannter Anthropologe und Kenner alter Maya-Kulturen. Im Hause der Bloms in San Christobal befand sich einst eine bedeutende Sammlung indianischer Artefakte, die jetzt im Besitz des Bundesstaates Chiapas ist.
Schon in einem früheren Artikel in dieser Zeitschrift (Meier 1990) wurde ausführlicher darauf hingewiesen, dass Heliocereus aurantiacus
auch taxonomisch gesehen eine sehr interessante Pflanze ist. Insbesondere Klon I (ISI 826) mit seinen hängenden, schwach bewehrten Flachtrieben und Blütenorganen stellt ganz offensichtlich eine Übergangsform zwischen den Gattungen Heliocereus (Berger) Br.& R. und Nopalxochia Br.& R. dar, worauf Kimnach in der Vergangenheit als erster mehrfach hingewiesen hatte und Nopalxochia folglich als Synonym von Heliocereus betrachtet. Inzwischen ist es zu einer noch umfassenderen Neuordnung unter den Gattungen Aporocactus Lemaire, Wittiocactus Rauschert (syn. Wittia Schumann), Heliocereus (Berger) Br.& R., Nopalxochia Br.& R. und Disocactus Lindley (aber ohne Pseudorhipsalis Br.& R.) gekommen, die nach Barthlott (1991) heute alle unter dem nomenklatorisch ältesten Begriff Disocactus Lindley zusammengefasst werden. Während jedoch alle herkömmlichen Gattungsbezeichnungen als neue Subgenera von Disocactus sensu Barthlott erhalten blieben, taucht der seit langem wohlvertraute Name Heliocereus (Berger) Br.& R. nicht mehr auf. Statt dessen erscheint die neue Untergattung Ackermannia (Schumann) Barthlott, in die alle ehemaligen Heliocereen, also auch Heliocereus aurantiacus und konsequenterweise auch Nopalxochia horichii Kimnach 7) sowie Nopalxochia ackermannii (Haworth) Knuth gestellt wurden 8). Eine Umkombinierung von Heliocereus aurantiacus var. blomianus steht meines Wissens aber noch aus, was an dieser Stelle formell nachgeholt werden soll.

Abb. 4 Disocactus aurantiacus var. blomianus
Disocactus aurantiacus (Kimnach)
Barthlott var. blomianus (Kimnach) Meier comb. nov.
Basionym: Heliocereus aurantiacus Kimnach var. blomianus Kimnach,
Cact.Succ.Journ.(U.S.) 62 (6): 270/271, 1990.
Von allen aurantiacus-Formen ist die var. blomianus (alias "Heliocereus elegantissimus" der amerikanischen Gärten) am häufigsten in unseren Sammlungen vertreten, was wohl hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass diese Pflanze schon über längere Zeit problemlos über den Handel zu beziehen ist. Hinzu kommt, dass sie von allen Pflanzen des aurantiacus-Komplexes noch am relativ leichtesten zu kultivieren ist, worauf später noch detaillierter eingegangen wird. So nimmt es denn auch nicht wunder, dass dieser auffällige Blüher schon beizeiten sehr erfolgreich in der Phyllokakteenzucht Verwendung gefunden hat. Einer der herausragendsten Züchter der 70-er und 80-er Jahre, Wressey Cocke aus Redondo Beach bei Los Angeles (gestorben 1993), schuf 23 bei der Epiphyllum Society of America registrierte Hybriden; davon waren 11
Kreuzungen mit Phyllokaktus 'Reward', 5 mit 'Hazel Ruppe', 4 mit 'Lilac Time' und 3 mit Heliocereus speciosus (Cavan.) Br.& R.. Frank Sibl aus Merrylands, Australien, benutzte Heliocereus aurantiacus var. blomianus in Kreuzungen mit 'Cooperi', 'Deutsche Kaiserin', 'Loebneri', 'Mimi', 'Mission Bell', 'Molly Sinclair', 'Pink Perfection', 'Reward', 'Ruby Snowflake', 'Stern von Erlau', 'Vista Star' sowie mit Heliocereus speciosus, Aporocactus flagelliformis (Linn‚) Lemaire und Harrisia pomanensis (Weber) Br.& R.. Fred Boutin aus Toulumne, Kalifornien, gelang eine interessante Hybride mit Disocactus nelsonii (Br.& R.) Lindinger var. hondurensis Kimnach. Bei vielen der hieraus resultierenden F1-Hybriden ist der Einfluss der "Blomianus" deutlich erkennbar und äußert sich z.B. in dem überwiegend hängenden Wuchs sowie in der Größe und Form der prächtigen Blüten, bei denen zudem eine Tendenz zu orangenen Tönen meist in Kombination mit variierenden Schattierungen und andern Farben zu vermerken ist.

Karte 1. Die ungefähren Fundorte der besprochenen Pflanzen.
Ein besonderer Bonus aller aurantiacus-Formen ist die gute, z.T. sogar hervorragende Haltbarkeit der individuellen Blüten, die mit einiger Wahrscheinlichkeit auch in Abhängigkeit von deren Größe zu sehen ist. Klon I (ISI 826, siehe Abb. 1) und Klon II (ISI 827, siehe Abb. 2) haben mit 12 - 15 cm Durchmesser relativ kleine Blüten, die im Falle von Klon I bei mir wiederholt ganze 5 Tage auch bei großer Hitze im Gewächshaus voll geöffnet blieben. Bei kühlem Wetter können daraus leicht eine Woche und länger werden. Dies sind Werte, die selbst von vielen Echinocereen nicht erreicht werden. Klon II blüht nicht ganz so lange, und die im Vergleich zu den zierlichen Trieben riesenhaft erscheinenden 18 cm-Blumen der Honduras-Form (Klon III) hielten immerhin noch 3 - 4 Tage. Die noch breiteren Blüten der var. blomianus bescheiden sich mit 3 Tagen, was aber angesichts ihrer respektablen Größe wahrlich nicht als schlecht anzusehen ist. Man muss allerdings hier - wie bei allen andern großblütigen Kakteen auch - bedenken, dass die Blühdauer nicht nur genetisch vorbestimmt ist, sondern auch in Abhängigkeit von dem jeweiligen Kulturzustand der Pflanze und von der Gesamtzahl der ausgebildeten Blüten steht.
Abschließend darf natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass alle aurantiacus-Formen ausnehmend schöne Blumen hervorbringen, wobei die des Klon II (ISI 827) die reinsten Orangetöne aufweisen, die zum Schlund hin in Rot übergehen und nach unserer Meinung in Gemeinschaft mit der anmutigen Blütenform und der ansehnlichen Blütengröße ein Höchstmaß an Ästhetik und Eleganz erreichen (vgl. Abb. 2). Eine Pflanze in vollem Flor bietet einen geradezu überwältigenden Anblick! So könnte man denn diese Pflanzen jedem Liebhaber wärmstens empfehlen, wenn da nicht noch ein Haken wäre - die heikle Kultur.
Diese scheint anfangs keine Probleme zu bereiten, denn Stecklinge aller Heliocereus aurantiacus-Formen bewurzeln sich rasch und ohne Schwierigkeiten in lockerem, leicht feuchten Epiphytensubstrat. Die Senker treiben dann bald aus und bilden aus den unteren Areolen Seitentriebe, die zunächst nach schräg oben wachsen und mit zunehmender Länge in den typisch hängenden Wuchs übergehen. Nach einer Weile bilden sich dann aber gelblich-glasige Flecken auf den Sprossen, die später dunkler werden und eintrocknen. Auf Grund der schmalen Triebe wird dabei fast immer auch das Leitbündelsystem in Mitleidenschaft gezogen, so dass der Saftstrom in den Bereichen oberhalb dieser Stellen unterbrochen wird. Dies hat leider zur Folge, dass ganze Pflanzenteile nicht mehr versorgt werden, zu welken beginnen und nach und nach absterben, wenn nichts unternommen wird. Ich habe diese Abschnitte beizeiten abgetrennt und in der üblichen Weise meist in demselben Topf neu bewurzelt, um die Verluste, die durch diesen unfreiwilligen Stecklingsschnitt entstanden, in etwa wieder auszugleichen. Auch hoffte ich, durch die jetzt intensivere Durchwurzelung des Substrats eventuelle Gießfehler vermeiden zu können, die bei Epiphyten wegen ihrer schwach ausgebildeten Wurzelsysteme oft genug der Grund für Misserfolge bei ihrer Pflege sind. Gelang es mir auf diese Weise wenigstens, die Pflanzen auch längerfristig am Leben zu erhalten, so konnte diese bestenfalls als "Notlösung" anzusehende Kultur natürlich nicht befriedigen, zumal die Ursache allen Übels, die rätselhafte Fleckenkrankheit, hierdurch nicht beseitigt wurde. Was immer ich auch versuchte - Pfropfung auf diverse bewährte Unterlagen, Standortwechsel, andere Substrat Zusammensetzungen, unterschiedliche Gießmethoden, etc. - nichts half auf Dauer!
Wenn man seltene, zudem auch noch wunderschön blühende Kakteen besitzt, empfiehlt es sich, auch seine Freunde an ihnen teilhaben zu lassen. Neben der Freude, die man andern hiermit bereitet, hat dies aber auch einen sehr praktischen und realistischen Aspekt, denn je mehr man zur Verbreitung der Raritäten beigetragen hat, umso leichter lassen sich stets mögliche eigene Verluste wieder ersetzen, abgesehen von dem nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Artenschutz, den jeder wahre Kakteenfreund solchermaßen leistet und leisten sollte. Aus diesen Gedanken heraus hatte ich u.a. meinem Freund Klaus Rippe vor einiger Zeit Stecklinge aller hier besprochenen Heliocereus aurantiacus-Klone überlassen und war überaus erstaunt und erfreut über seine Erfolge bei der Kultur dieser Pflanzen. Vielleicht können seine nachfolgenden Ausführungen dazu beitragen, dass Heliocereus aurantiacus zur Bereicherung unseres Hobbys viel mehr als bisher in den Liebhabersammlungen vertreten sein wird.
Fußnoten
1. Ein Steckling dieser Pflanze, den ich von Herrn Glatz erhielt, hat inzwischen mehrfach geblüht und konnte als Weberocereus tunilla (Weber) Br.& R.
identifiziert werden.
2. Laut brieflicher Mitteilung von Glatz an Meier.
3. Kimnach hält Heliocereus elegantissimus Br.& R. für ein Synonym des schon länger bekannten Heliocereus schrankii (Zuccarini) Br.& R., während umgekehrt Bravo-
Hollis Heliocereus schrankii als Synonym von Heliocereus elegantissimus betrachtet, weil erstere ihrer Meinung nach nur unzulänglich bekannt sei. Beide
Pflanzen unterscheiden sich praktisch nur in einem unwichtigen Merkmal: Der Griffel ist bei Heliocereus elegantissimus kürzer, bei Heliocereus schrankii länger
als die Staubgefäße. Bei Backeberg wird Heliocereus elegantissimus als Heliocereus speciosus-Varietät geführt (vgl. Backeberg: Die Cactaceae, Bd.IV: 2121,
Jena 1960).
4. Vgl. hierzu auch die Zeichnung in Monatsschrift für Kakteenkunde 5(9):135, 1895, dort noch als Cereus coccineus Salm-Dyck (non De Candolle).
5. Nach damaligem Umrechnungskurs von $ 1,00 = DM 4,20 rund DM 15,-. Berücksichtigt man darüber hinaus noch den schleichenden Geldwertverlust seit jener Zeit,
würde dieser Preis heute sicherlich noch um ein Vielfaches höher liegen.
6. Dass ein so erfahrener Pflanzenkenner wie Tom MacDougall sich so "folgenschwer" hat irren können und die Pflanze mit Heliocereus elegantissimus verwechselte,
führt Kimnach (1990, a.a.O.) darauf zurück, dass es speziell bei Heliocereen äußerst schwierig sei, einzelne Arten auseinander zu halten, weil diese von sich
aus schon "notorisch" variabel seien, und es zudem eine Fülle von Zwischenformen gebe, die sich nur schwer einordnen lasen.
7. Jetzt als Disocactus kimnachii Rowley, um Verwechselungen mit Pseudorhipsalis horichii (Kimnach) Barthlott (syn. Disocactus horichii Kimnach) zu vermeiden.
8. Nopalxochia phyllanthoides (DC) Br.& R. und Nopalxochia (syn. Lobeira) macdougallii (Alex.) Kimn. dagegen verbleiben in der neuen Disocactus-Untergattung Nopalxochia
(Br.& R.) Barthlott.
Literatur | ||
---|---|---|
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California Epi Center: | Pflanzenkataloge 1980 - 1988 | |
Hurst Nursery : | Pflanzenkataloge 1977, 1981 und 1987 | |
Johnson Cactus Gardens : | Pflanzenkataloge 1965 - 1968 | |
Kelly's Epiphyllum Coll. : | Pflanzenkataloge 1979 - 1981 | |
Rainbow Gardens : | Pflanzenkataloge 1987 - 1996 |
Der Artikel 'Ãœber Disocactus aurantiacus und seine Formen', wurde 1997 in der
'KuaS'
veröffentlicht.
Wiedergabe des Artikels mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der KuaS und des Autors.