Betrachtet man die dem Liebhaber allgemein verfügbaren Echinopsis- und Trichocereus Hybriden, so handelt es sich größtenteils um Hybriden einiger weniger Züchter. Hier sind insbesondere der unvergessene Robert Gräser aus Nürnberg, Harry Johnson aus Kalifornien, Bechthold aus Winkel am Rhein und Anton Schultz aus Taufkirchen zu nennen. Heute, viele Jahre danach, hat es den Anschein, um die Weiterentwicklung der Echinopsis- und Trichocereus Hybriden schlecht bestellt zu sein. Nur selten findet der Liebhaber Berichte über neue Kreuzungen in den Fachzeitschriften. Zum einen ist dies sicherlich richtig, andererseits entstehen in verschiedenen kleineren Sammlungen engagierter Liebhaber beachtliche neue Hybriden aus dem erwähnten Formenkreis. Das Problem ist jedoch, wie erfährt der interessierte Liebhaber von neuen Züchtungen? Erschwerend kommt hinzu, es haben sich, wie auch bei anderen Kakteengattungen, spezielle Arbeitsgruppen und Ringbriefe gebildet, in denen Informationen als Insider Wissen gehandelt und weitergegeben werden. Diese Neuigkeiten dringen nicht an die interessierte Öffentlichkeit. Es versteht sich von selbst, diese Situation ist im Interesse der Hybriden und ihrer Liebhaber als unbefriedigend zu bezeichnen. Ich möchte dem Liebhaber, wie auch bereits in anderen Ausgaben der 'Kaktusblüte' heute daher einige neue interessante Echinopsis- und Trichocereus Hybriden aus eigenen Kreuzungen der vergangenen Jahre vorstellen. Dabei handelt es sich um Weiterzuchten mit den einmaligen Hybriden Robert Gräsers. Zum besseren Verständnis der verwendeten Hybriden seien diese nachfolgend kurz vorgestellt.
Eine der erfolgreichsten Kreuzungen Robert Gräsers ist seine Kreuzung Trichocereus schickendantzii x Helianthocereus grandiflorus,
unter Liebhabern auch als SCHIGRA Hybriden allgemein bekannt. Aus den
F1-Aufzuchten
dieser Kreuzung wählte Robert Gräser einige wenige für weitere
F2-Kreuzungen aus. Das Ergebnis war in Blüte und Habitus sehr unterschiedlich. Gräser selektierte die Hybriden mit den dunkelsten Blütenfarben
für seine weiteren Kreuzungen aus. Den größten Teil aber gab er über die Gärtnerei seines Bruders Alfred Gräser an Liebhaber weiter.
Bereits in der SCHIGRA F1-Generation waren bemerkenswerte Hybriden, so auch die beliebte Hybride 'Pisac'.
Deren auffallendstes Merkmal ist die ungewöhnlich attraktive Knospe und Blüte, auch spasshaft als -Kraftei- bezeichnet, welche von der Mutter
Trichocereus schickendantzii vererbt wurde (Abb. 1).
Mit den SCHIGRA Hybriden der F1- und F2-Generation zog Robert Gräser im Laufe der Jahre eine große Zahl interessanter Hybriden, so auch eine
Kreuzung Trichocereus thelegonus x SCHIGRA F1. Diese im Habitus einem Trichocereus thelegonus sehr ähnliche Hybride erwarb ich
von R. Gräser bei Aufgabe seiner Sammlung (Abb. 2).
Nachdem ich die eindrucksvolle Blüte mehrere Jahre bewundert hatte, gab ich ihr den Namen 'Gräsers Überraschung' und verwendete sie im Laufe der Jahre vielfach bei meinen Kreuzungen. Robert Gräsers bevorzugte Echinopsis für Kreuzungen war eine ungewöhnlich schön blühende Echinopsis eyriesii var. grandiflora. Der Blütenaufbau und die Größe der Blüte veranlassten Robert Gräser immer wieder diese Echinopsis eyriesii als Kreuzungspartner, wahlweise als Mutter oder Vater mit Lobivien und Trichocereen, einzusetzen. Es stellte sich heraus, dass die Gräsersche Echinopsis eyriesii var. grandiflora über sehr dominante Eigenschaften verfügte, was augenscheinlich in vielen seiner Echinopsis- und Trichocereus Hybriden in Erscheinung tritt. Dies gilt sowohl für den wohlgeformten Blütenaufbau mit den stark nach hinten gekrümmten Sepalen, als auch für die sehr kurze Bestachelung und leider einer gewissen Anfälligkeit für Verkorkungen im unteren Pflanzenbereich. Die enorme Vielfalt der Gräserschen Echinopsis- und Trichocereus Hybriden, von denen ich einen kleinen Teil in meiner Sammlung kultiviere, sind die ideale Ausgangsbasis für weitere Kreuzungen, sei es untereinander oder mit anderen Gattungen.
TÖWERLAND
Kurz nachdem ich von R. Gräser eine auch von ihm besonders geschätzte Hybride, die 'Kaffee' kaufte, hatte ich Gelegenheit, die ungewöhnlich schöne Blüte zu bewundern. Genaueres über das Entstehen der "Kaffee" ist nicht bekannt, nur dass es sich um eine Helianthocereus vatterii Hybride handelt. Die faszinierende orangefarbige Blüte veranlasste mich, nach einem passenden Kreuzungspartner zu suchen. Es blühte damals gleichzeitig die bereits erwähnte "Pisac". Sie schien mir ein geeigneter Kreuzungspartner zu sein. Der orangefarbige Farbton der 'Kaffee' und die große kompakte Blüte der 'Pisac', ich durfte gespannt sein. Fünf lange Jahre wartete ich auf das Ergebnis. Jahre, in denen eine große Zahl von Sämlingen größer wurde und Platz beanspruchten, ohne dass ich wusste, was aus meiner Kreuzung geworden war. Als es endlich so weit war, und der erste Sämling seine Knospen zeigte wurde mir klar, wer sich dominant vererbt hatte. Die wuchtige Knospe ließ eine große Blüte im rotorangen Farbton und Blütenaufbau ähnlich den SCHIGRA Hybriden erwarten. Was sich dann kurz darauf zeigte, war eine gelungene Mischung beider Eltern, sowohl im Habitus als auch in der Blüte. Ich konnte nicht umhin, die Blüte meiner ersten Kreuzung von Gräser Hybriden untereinander als grandios zu bezeichnen (Bild 3). Insgeheim war der Erfolg denn auch der Ansporn für weitere Kreuzungen, vorzugsweise von Gräser Hybriden untereinander und mit anderen Gattungen. Der Name 'Töwerland' stammt aus dem Niederdeutschen und bedeutet Zauberland, eine Bezeichnung meines damaligen Wohnorts der Nordseeinsel Juist, die im Niederdeutschen als Töwerland bezeichnet wird.
Abb.3 'Töwerland'.
GRANADA
Nach dem gelungenen Versuch der "Pisac" Einkreuzung überlegte ich, wie die Schönheit der Blüte erhalten und gleichzeitig
ein anderer Farbton erzielt werden könnte. Als Kreuzungspartner boten sich Hybriden, in denen der Farbton der Pseudolobivia kermesina enthalten
war, besonders an. Seit Jahren pflege ich in meiner Sammlung eine schön blühende, blühwillige Hybride zwischen
Trichocereus thelegonus x Pseudolobivia kermesina mit der Bezeichnung "Trares". Die Herkunft dieser Kreuzung ist nicht eindeutig nach
vollziehbar, dafür überzeugt die "Trares" mit herrlichen kermesinfarbenen
Blüten und mehrfachem Blütenflor, verteilt über den ganzen Sommer. Bei der nächsten günstigen Gelegenheit kreuzte ich deshalb meine "Trares" x
"Pisac". Aus dieser Kreuzung entstand eine Vielzahl Hybriden in allen Farbnuancen, von denen die meisten bereits im dritten Jahr nach der Aussaat
zur Blüte kamen. Zwei Pflanzen aus diesem Hybridenschwarm seien nachfolgend exemplarisch vorgestellt.
Betrachtet man die Blüte der
'Granada' so ist der Einfluss der 'Pisac' unverkennbar. Die
im Verhältnis zum Körper ungewöhnlich große Blüte, von 16-18 cm Durchmesser, ist erstaunlich. Der Eindruck der dunkelkarminroten Blüte wird durch
den schwarzen Schlund und die dunklen Antheren, übrigens eine Eigenart, die bei vielen Kreuzungen mit SCHIGRA Hybriden in Erscheinung tritt, noch
verstärkt. Besonders elegant treten bei der "Granada" (Bild 4) die Äußeren, stark nach hinten gebogenen Sepalen in Form einer Halskrause in
Erscheinung. Wie bei allen Kreuzungen in denen Trichocereen eingekreuzt wurden, ist die Haltbarkeit der Blüte verbessert, unter günstigen
Bedingungen bis zu drei Tagen. Für Liebhaber ein erfreuliches Ergebnis. Die bisher nicht sprossende Hybride, eine Eigenart der "Trares", ist von
gedrungenem, gut bestacheltem Wuchs, ähnlich den meisten SCHIGRA Hybriden.
AMETHYST
Der erste Eindruck der "Amethyst" lässt nicht vermuten, dass es sich um eine Schwester Hybride der "Granada" handelt. Form und Farbe der Blüten sind stark von der Mutter, der "Trares" Hybride, geprägt. Nur die große, radförmig öffnende Blüte, verrät eine SCHIGRA Hybride als Kreuzungspartner. Ist bereits die einheitlich dunkel amethystfarbige Blüte sehr ansprechend, so wird dieser Eindruck durch die überaus großen kompakten Blüten, die runden Blütenblätter und dem dunklen Schlund mit den Antheren noch verstärkt (Bild 5). Wuchs und Habitus zeigen den Einfluss beider Eltern Pflanzen und ihrer genetischen Erbmasse. Der gruppenbildende Wuchs, eine vererbte Eigenart der "Pisac", sorgt zumindest in absehbarer Zeit für ausreichende Vermehrung. Der erste Eindruck der "Amethyst" lässt nicht vermuten, dass es sich um eine Schwester Hybride der "Granada" handelt. Form und Farbe der Blüten sind stark von der Mutter, der "Trares" Hybride, geprägt. Nur die große, radförmig öffnende Blüte, verrät eine SCHIGRA Hybride als Kreuzungspartner. Ist bereits die einheitlich dunkel amethystfarbige Blüte sehr ansprechend, so wird dieser Eindruck durch die überaus großen kompakten Blüten, die runden Blütenblätter und dem dunklen Schlund mit den Antheren noch verstärkt (Bild 5). Wuchs und Habitus zeigen den Einfluss beider Eltern Pflanzen und ihrer genetischen Erbmasse. Der gruppenbildende Wuchs, eine vererbte Eigenart der "Pisac", sorgt zumindest in absehbarer Zeit für ausreichende Vermehrung.
FLAMENCO
Als ein Meilenstein in der Gräserschen Trichocereus- und Echinopsis Hybridisation ist seine Kreuzung 'Trichocereus thelegonus x Echinopsis eyriesii var. grandiflora' anzusehen. Das Ergebnis ist unter Liebhabern als 'Theleflora' bestens bekannt und geschätzt. Sticht bereits der außergewöhnlich attraktive Habitus der Pflanzen ins Auge, so ist die Blüte geradezu eine exotische Schönheit. Im Farbton Gräsers Echinopsis eyriesii sehr ähnlich, verfehlt die dunkel rosafarbige, elegant geformte Blüte mit ihren weit nach hinten gebogenen und gewellten Sepalen nicht ihre Wirkung auf den Betrachter. In der 'Theleflora' hat sich die imposante Blüte der Gräserschen Echinopsis eyriesii beeindruckend vererbt. Der cereoide, nicht sprossende, Wuchs der 'Theleflora' wirkt durch die sehr kurze, einer Echinopsis eyriesii ähnlichen Bestachelung und die für Trichocereus thelegonus typischen höckerartigen Rippen. Dieses Prachtstück einer Hybride kreuzte ich mit der eingangs beschriebenen "Gräsers Überraschung". Das Ergebnis, die 'Flamenco' (Bild 6), konnte sich sehen lassen.
In der früh und leicht blühenden Kreuzung finden sich positive Merkmale der Gräserschen "Theleflora" und des eingekreuzten Vaters "Gräsers Überraschung", mit veränderter Blütenfarbe wieder. Die sehr schöne dunkel rosaorange gefärbte Blüte präsentiert sich zusätzlich mit einem dunklem Schlund im gleichen Farbton. Im Habitus einer "Theleflora" zum Verwechseln ähnlich, ist die "Flamenco" ohne Blüten von dieser kaum zu unterscheiden.
Abb.6 'Flamenco'.
ALHAMBRA
Eine der schönsten und dankbarsten Echinopsis Hybriden R. Gräsers, die "G17" von F. Winkelmann vor Jahren in 'Morgenzauber' benannt, kreuzte ich mit 'Gräsers Überraschung'. Aus dieser Kreuzung, Morgenzauber x Gräsers Überraschung, ging die von mir besonders geschätzte und als 'Alhambra' bezeichnete Hybride hervor. Die Nachkommenschaft dieser Kreuzung spaltete sich sehr stark auf, waren doch bereits vier unterschiedliche Gattungen in fünf Arten genetisch in ihr vertreten. Von Anfang an fiel mir ein Sämling wegen seiner eigenartig orange Terracotta farbigen Blütenfarbe und der für die Gräsersche Echinopsis eyriesii typischen Blütenform besonders auf. Die früh blühende Hybride zeichnet sich aus durch mehrere Blütenintervalle, vom Frühjahr bis zum Herbst, gedrungenen cereoiden Wuchs und ansprechenden Habitus mit schöner Bestachelung aus. Schönheit und Reiz der Blüte lassen sich nur schwer im Bild festhalten und sind ein gelungenes Ergebnis der Einkreuzung von Trichocereen in Echinopsen (Bild 7).
Abb.7a 'Alhambra'.
FELICITAS
Die Mutter dieser Kreuzung, die Echinopsis eyriesii grandiflora Hybride 'Maya' von Anton Schultz aus Taufkirchen, ist seit jeher einer meiner Lieblingspflanzen. Die äußerst gesunde und attraktive Echinopsis Hybride besticht durch ansprechenden Habitus und aparte hellgelbe Blüten mit intensivem dunkelgelbem Mittelstreif. Die sich kontrastreich abhebende rosarote Narbe ist der I-Punkt auf dem Erscheinungsbild der Blüte. Die Blüte ist von einer Feinheit, wie ich sie bisher bei keiner Echinopsis gefunden habe. Hohe Sommertemperaturen und ungünstige Aufstellung lassen die Blüte in sehr kurzer Zeit verwelken, sehr zum Leidwesen des Liebhabers. Die lange dunkle Bestachelung und der Duft der Blüte, machen die 'Maya' zu einem Schmuckstück in jeder Kakteensammlung. Der intensive dunkelgelbe Mittelstreif war für mich seit jeher ein besonderer Anziehungspunkt. Kein Wunder, dass ich nach einem geeigneten Kreuzungspartner suchte. Ich fand ihn in 'Gräsers Überraschung'. In einer größeren Anzahl von Sämlingen fiel mir ein Sämling mit gesundem Wuchs und kräftiger dunkler Bestachelung auf. Bereits im dritten Jahr nach der Aussaat hatte er die blühfähige Größe erreicht. Habitus und Blüte der 'Felicitas' sind ein Superlativ der 'Maya'. Die fünf bis sechs Zentimeter lange, schwarze Bestachelung und der dunkelgrüne Körper geben der Pflanze eine besondere Note. Durch das Einkreuzen von Trichocereus Eigenschaften hat die Blüte zusätzlich an Kompaktheit und Schönheit gewonnen. Die gelbe Blüte mit dem dunkelgelben Mittelstreif, elegant nach hinten gebogenen leicht gedrehten Sepalen und rosaroter Narbe, ist eine Augenweide für jeden Pflanzenliebhaber. (Bild 8). Als besonders positiv, gegenüber der "Maya", stellte sich die verbesserte Haltbarkeit der Blüten heraus, die bis zu drei Tage dauern kann. Obwohl in ihrer Form nach wie vor eine Echinopsis Blüte, zeigt sich in Blüte und Wuchs deutlich der Einfluss von Trichocereus Eigenschaften.
Lassen sie mich noch einige Anmerkungen zu Trichocereus Hybriden machen. Die großen, ungewöhnlich schönen Blüten der Hybriden werden
wegen ihrer Attraktivität oftmals bewundert. Die anfängliche Begeisterung schlägt jedoch schnell in eine ablehnende Haltung um, wenn die Bezeichnung
Trichocereus fällt. Zu sehr ist bei den Liebhabern mit dem Gattungsnamen Trichocereus die Vorstellung der späten Blüte und der Großwüchsigkeit verbunden.
Dies trifft sicherlich im gewissen Umfang für die natürlichen Arten, nicht jedoch für die Kreuzungen mit ihnen, zu. Wurde bereits der Grundstein für frühe
Blüte und gedrungenen Wuchs von Robert Gräser durch das Einkreuzen verwandter Gattungen gelegt, so hat sich die Situation bei den Multihybriden nochmals
wesentlich verbessert. Für den Liebhaber stehen heute klein und gedrungen wachsende Trichocereus Kreuzungen zur Verfügung, die allen Wünschen und
Anforderungen an Wuchs und Blüte gerecht werden.
Die Kultur dieser Hybriden ist als problemlos zu bezeichnen, so lange für hellen Standort, besonders
auch im Winter, gesorgt wird. Temperaturen gegen null Grad werden problemlos vertragen, wenngleich auch nicht auf Dauer als die beste Ãœberwinterungs
Temperatur anzusehen.
Der ideale Standort im Sommer ist ein gut belüfteter kalter Kasten, Balkongewächshaus oder die Aufstellung im Freien. Meine besten Erfolge mit
Trichocereus Hybriden habe ich während vieler Jahre der Balkongewächshaus Kultur erzielt. Auch Robert Gräser kultivierte übrigens seine gesamte Sammlung
den Sommer über im Frühbeet. Wegen der oftmals hohen Temperaturen sind Gewächshäuser im Sommer kein idealer Standort. Besonders augenfällig wird dies im
unnatürlich veränderten Habitus der Trichocereus Hybriden, die ihren gedrungenen Wuchs bei dieser Aufstellung oftmals verlieren. Die verschiedentlich
beklagte Langwüchsigkeit speziell von Trichocereus thelegonus Hybriden ist übrigens auf diesen Sachverhalt zurückzuführen.
Der Artikel 'Hybriden-Highlights', wurde 1992 in der 'Kaktusblüte' der Wiesbadener Kakteenfreunde veröffentlicht.