(Abstract J. Bockemühl), Knebel’s multi-petaled hybrids – a search for what remains. In 1926, Curt Knebel in Erlau (Saxonia)
pollinated one of his
epicacti labelled no. 43 with the pollen of an unknown plant. Among the offspring of this cross three plants showed the unexpected and unusual traits of
multi-petaled flowers (nos. 92, 93, and 94). No. 92 was named ‘Mussolini’, a name later changed to Heureka, no. 93
was named ‘Phyllocactus flore pleno’ (later most often called ‘Flore Pleno’), and no. 94 was named ‘Königin’ (initially also ‘Anna Hitler’). The
first two hybrids had “violet petals with salmon-pink shading”, the latter was white with yellow outer perianth elements (Knebel 1934, 1951). Knebel recognized
the peculiarity of these hybrids and recommended to continue hybridising these plants. He finally was able to obtain one fruit from a cross between nos. 92 an 93
but it is unknown whether fertile seeds were produced and if so what happened to them. During World War II Knebel’s nursery was obliged to grow vegetables, and
during the extremely cold winters following the war nearly all of his plants died. Thus, it is unlikely that the few plants existing at that time survived in
Germany. However, Knebel had sent many of his originations as well as seed to collectors and nurseries in California. A number of Knebel hybrids still in
existence have been raised in the U.S. from his seeds and have been registered after his death. We still have a photograph of
Heureka made by Paul Fort in 1952, proving that at least this cultivar had reached California. – In 1997,
the late Raymond Eden reported about a lost multi-petaled cultivar named ‘San Diego’ which had been registered in 1953. He speculated that this plant might
have been raised from seeds obtained from Knebel’s first cross in 1926 from which ‘Heureka’ and ‘Flore Pleno’ originated. This, however, appears unlikely with
regard to the long time interval but it might be speculated that seed from the 1934 cross between nos. 92 and 93 could have been involved.
The author discusses
the possibilities for the appearance of Knebel’s multi-petaled plants and comes to the conclusion that a mutation was most likely. As spontaneous mutations occur
rarely it cannot be excluded that seeds from Knebel’s hybrids were also involved in some later multi-petaled cultivars. Eden (1997a, 1997b) discussed
Ruby Snowflake, a multi-petaled hybrid which appeared after the war and which was then registered by Cactus Pete
nursery. The origin of this cultivar is unknown but the stems and the flower morphology are similar to the description of Knebel’s plants. Cactus Pete likely was
one of the persons who had received material from Knebel. ‘Ruby Snowflake’ then became one of the hybridising partners of Wressey Cocke’s famous “fifties series”,
another lineage of multi-petaled epicacti. – For a long time, the author had tried to find a vestige of Knebel’s multi-petaled hybrids somewhere in the world.
Finally, he heard from Rudi Dorsch in Houston, Texas, that he had obtained a plant labelled Heureka from a Californian
epicactus collector. This man had received it 25 years earlier from another Californian who was a friend of the owner of Cactus Pete nursery. Cuttings of this plant
were grown in Klaus Rippe’s collection in Spain and have flowered. The flowers largely agree with Knebel’s description of this cultivar but with regard
to the long time interval, the troubles of World War II and the long “odyssey” of this hybrid the origin cannot be ascertained. Therefore Klaus Rippe tentatively named this cultivar “Rudi’s Heureka”.
Im Jahre 1926 bestäubte Curt Knebel aus Erlau/Sachsen einen bei ihm intern unter der Nummer 43 laufenden Epikaktus mit dem Pollen einer nicht näher erwähnten oder beschriebenen anderen Hybride. Auch von ersterer Pflanze wird nur in knappen Worten berichtet, dass sie ca. 20 Jahre zuvor (1907) aus eigener Zucht entstanden war, normal ausgebildete Triebe mit Schuppenareolen hatte und große Blüten in den orange und violett hervorbrachte. Aus dieser Kreuzung liefen unter anderem drei ungewöhnliche Sämlinge mit völlig neuartigen, noch nie vorher gesehenen Eigenschaften auf, die sich als Ergebnis von Mutationsvorgängen bei der Aussaat ergeben haben dürften.
Bild 1 Epikaktus 'Ruby Snowflake'
Sie hatten - anders als bei den Eltern - auffällig schmale Sprosse mit Polsterareolen, aus denen anfangs nur „Blümchen erschienen – kleine Gebilde, aber total gefüllt“ (Knebel 1934). Zu Knebels großer Freude wuchs der Flor in den darauf folgenden Jahren noch zu ansehnlicherer Größe heran, erwies sich jedoch in der Färbung als etwas variabel, was bei Epis aber eigentlich nichts Besonderes ist, deren Blüten sich ja in Anbetracht der ständig wechselnden Kulturbedingungen bei den Liebhabern von Jahr zu Jahr mehr oder weniger deutlich voneinander unterscheiden können.
Zwei der Sämlinge blühten lila mit lachsfarbenem Einschlag, wobei sich einer der beiden (Nr. 93 s.u.) lediglich durch eine etwas dunklere Färbung von dem anderen unterschied. Der Dritte im Bunde brachte Blumen, die Knebel wegen der etwas geringeren Anzahl von Kronblättern als „Übergang zur gefüllten Form“ bezeichnete, die aber mit „bis zu 50 Sepalen und Petalen“ (Knebel 1951) auch für heutige Verhältnisse zumindest als vielpetalig bezeichnet werden können. Er blühte normalerweise weiß mit gelben äußeren Perianthabschnitten, die gelegentlich auch zu einem dunkleren, mit rot gestreiften Gelb zu variieren imstande waren. Aus den ersten beiden Formen wurden die späteren, in seinem Buch „Phyllokakteen“ (Knebel 1951) aufgeführten und mit geänderten Nummern und Namen versehenen Sorten 'Heureka' (Nr. 92, ehemals ´Mussolini´) und ´Phyllocactus flore pleno´ (Nr. 93, meist nur ´Flore Pleno´ genannt), während die weiße Variante als ´Königin´ (Nr.94, vorher bisweilen als ´Anna Hitler´ bezeichnet) übernommen wurde.
Knebel erkannte als erfahrener Fachmann sofort, dass die „Natur hier etwas völlig Neues geschaffen hatte“ (Knebel 1934) und war davon überzeugt,
durch Kreuzung dieser Pflanzen untereinander eine zukünftige verbesserten Rasse aus gefüllt und verschiedenfarbig blühenden Sorten kreieren zu können.
Da man aber für ihre Aufzucht und Vermehrung nach damaliger Einschätzung viele Jahre gebraucht hätte, traute er sich diese Aufgabe infolge seines
fortgeschrittenen Alters nicht mehr selber zu (Knebel 1938). Er spricht deshalb von „künftigen Züchtergenerationen“, die diese Pflanzen als „Ausgang für
Züchtungen gefüllt blühender Phyllos mit noch größeren Blüten und vielen Farben“ nutzen könnten (Knebel 1951). Zu diesem Zweck versuchte er offenbar, beide
Sorten miteinander zu kreuzen, wohl um einen ersten Anfang zu machen und das nötige “Saatgut“ für diese zukünftigen Aufgaben zur Verfügung zu stellen.
Dies war aber anscheinend schwieriger als gedacht (Knebel 1932) und gelang nach mehreren vergeblichen Bemühungen zunächst nur ein einziges Mal, denn er
erwähnt hierzu etwas später, er hoffe, dass die einzige Frucht, die bis Frühjahr 1934 ausgereift sei, wieder neue Formen bringen werde, über die er vielleicht
in 10 Jahren weiter berichten könne (Knebel 1934). Ob überhaupt keimfähiger Samen aus dieser Frucht geerntet wurde und was damit geschehen ist, und ob es
eventuell weitere erfolgreiche Bestäubungsversuche gegeben hat, wissen wir nicht, denn in der Literatur existieren keine weiteren Hinweise zu diesem Thema.
Auch gibt es mehr als 80 Jahre nach diesen für uns denkwürdigen Ereignissen und mehr als ein halbes Jahrhundert nach Knebels Tod vermutlich keine Zeitzeugen
mehr aus jener Epoche, die den Züchter noch persönlich gekannt haben und möglicherweise authentische Auskünfte geben könnten. So muss Vieles bei den folgenden
Überlegungen und Ausführungen leider auf Vermutungen oder reinen Spekulationen basieren, die jedoch nicht völlig aus der Luft gegriffen sind und meiner Meinung
nach durchaus einen denkbaren, realistischen Hintergrund haben könnten.
Wir wissen, dass Knebel in seinen Katalogen neben seinen Pflanzen auch Samen aus seinen diversen Kreuzungen zum Verkauf anbot und in alle Welt verschickte. So sind z.B. die noch hier und da im Umlauf befindlichen Sorten ´Alta Scott´, ´Bagdad´, ´Friend Sherfy´, ´Marina Special´, ´Marseillaise´ und etliche andere allesamt in Kalifornien aus Knebel-Samen gezogen worden. Es ist somit durchaus vorstellbar, dass auf ähnliche Weise Samen aus der erwähnten Allianz der beiden Sorten Nr. 92 und 93 - wenn sie denn keimfähiges Saatgut hervorgebracht hat - nach Amerika gelangte und dort ausgesät wurde.
In einem Artikel mit ähnlicher Thematik wie hier befasst sich Raymond Eden (1997a) im ESA-Bulletin mit einer vielpetaligen, heute aber wohl verschollenen Sorte, die bei einer gewissen Peggy Williams entstanden war und im Jahre 1953 von ihr unter dem Namen ´San Diego´ bei der ESA angemeldet wurde. Diese Pflanze war einst aus Samen aufgelaufen, der ursprünglich noch aus Erlau gekommen sein soll. Er vermutet, dass sie wahrscheinlich aus derselben Kreuzung stamme, aus der auch 'Heureka' und ´Flore Pleno´ hervorgegangen seien, was meiner Meinung nach aber aus zeitlichen Gründen nicht so recht “passt“. Die den genannten Pflanzen zugrunde liegende Kreuzung wurde ja schon im Jahr 1926 durchgeführt (s.o.); der aus ihr resultierende Samen stand also bereits ab 1927 zur Verfügung und brachte Anfang der 30er Jahre die ersten gefüllt blühenden Knebel-Sorten. Aus derselben Quelle kommend müsste dann in dieser frühen Zeit auch die ´San Diego´ in Kalifornien entstanden sein, mit deren Registrierung erst im Jahre 1953 man sich angesichts ihrer für damalige Verhältnisse sicherlich sehr auffälligen Blüten dann aber übergebührlich viel Zeit gelassen hätte! Nach meinem Dafürhalten wäre es leichter verständlich, dass diese Sorte aus dem oben zitierten “potentiellen“ Samen der späteren und damit zeitnäheren Kreuzung 'Heureka' x ´Flore Pleno´ (oder umgekehrt) aufgelaufen ist, der entweder noch vor Ausbruch des Krieges oder in den Jahren kurz nach 1945 nach Amerika gelangt sein könnte, wofür es aber keine Belege gibt.
Bild 2 Epikaktus 'Tassel' mit duftenden Blüten.
Wenn man will, kann man diese Spekulationen auch noch weiter ausdehnen und die bekannte Hybride Ruby Snowflake (siehe Bild 1) mit in die Diskussionen einbeziehen, die auf Grund ihrer Blütenstruktur im Prinzip mit den Knebel-Sorten vergleichbar ist. Raymond Eden bemerkt an einer anderen Stelle seines Beitrags, dass die Abstammung dieser Pflanze ein „absolutes Mysterium“ sei und lässt indirekt durchblicken, dass ein genetischer Zusammenhang mit den Pflanzen aus Erlau eventuell bestehen könnte. In der Tat liegt die Herkunft von Ruby Snowflake völlig im Dunkeln. Bekannt ist lediglich, dass sie bei einem Liebhaber namens John W. Lee irgendwann in den Nachkriegsjahren zum ersten Mal aufgetaucht war und später von der Firma Cactus Pete, Los Angeles, bei der ESA zur Registrierung angemeldet wurde. In einigen meiner alten Pflanzenkataloge verschiedener kalifornischer Epi-Gärtnereien, die bis in das Jahr 1975 zurückdatieren, wird diese Pflanze jedenfalls um diese Zeit oder wenig später von einigen bereits angeboten (z.B. bei Hawk`s Nursery, Hurst Nursery, Cox´s Epi Nursery oder Cactus Gem), wobei natürlich die Möglichkeit besteht, dass sie schon ein paar Jahre früher existiert hat.
Bild 3 Epikaktus 'Pink Plumes' aus Wressey Cockes
50er-Kreuzung 'Ruby Snowflake' x 'Tassel'
Interessant ist nun, dass Ruby Snowflake - wie die besagten Knebel-Sorten - eher schmale Sprosse hat, die während ihres Wachstums gern einmal “die Richtung ändern“, so dass sehr eigenwillige, lange und leicht “winkelige“ Triebe entstehen können, die mangels Stabilität bald in einen hängenden Wuchs übergehen oder einer Stütze bedürfen. Parallelen ergeben sich auch bei den Blüten, die in ihrer Struktur von Jahr zu Jahr außerordentlich wechselhaft sein können. In manchen Jahren bestehen sie aus bis zu neunzig schmalen, rubinroten und karmin gerandeten Petalen, die von außen nach innen an Länge abnehmen und einer Dahlien-Blüte nicht unähnlich sind. Ich habe in diesen Fällen an meinem Exemplar auch beobachten können, dass die sehr kurzen innersten Perianthabschnitte teilweise durch Umwandlung der Staubgefäße entstanden sind, so dass sich im Prinzip auch hier wieder “echte“ gefüllte Blumen bilden können. Leider bringt dieser Kultivar keinesfalls selten auch völlig „normale“ Blüten hervor mit der bei Epis üblichen Anzahl von regulären Kronblättern, die nur in ihrer Farbe und Größe eine gewisse Konstanz erkennen lassen. Dieses Verhalten ist ein öfter anzutreffendes Phänomen bei Mutanten. Darüber hinaus entstehen Pflanzen mit so außergewöhnlichen Merkmalen wie diese kaum durch langwierige Selektionskreuzung herkömmlicher Art, wie es etwa am Beispiel der weißen Hatiora ´Sirius´ (vgl. Ralf Bauers Bericht in EPIG Nr. 59) oder der gelben Schlumbergera ´Gold Charm´ (vgl. Meier in KuaS Heft 12/1984) nachvollziehbar ist. Sie sind vielmehr das Ergebnis von Mutationsvorgängen, die sich entweder von Anfang an in ihrer frühesten Entwicklungsphase oder später an erwachsenen Pflanzen als sogenannte “Sports“ (auch Spross- oder Knospenmutation genannt)
ergeben können. Sofern sich diese Pflanzen als fertil erweisen, werden die auf diese Weise erworbenen neuen Eigenschaften im ersteren Fall in aller Regel, bei Sports dagegen viel seltener und dann auch nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen weitervererbt, die hier nicht im Detail erörtert werden sollen.
Bei Ruby Snowflake könnte man sich einen Ursprung als Sport theoretisch vorstellen, wobei allerdings unbekannt bliebe, an welchem Epikaktus sich dieser Vorgang abgespielt haben könnte. Andererseits weiß man aber aus Kreuzungen mit anderen Epis, dass die Vielpetaligkeit ihrer Blüten auf ihre Nachkommen weitervererbt wird, wenngleich lediglich als rezessives Merkmal. Dies stützt eher die Annahme, dass sich die speziellen Anlagen hierfür bereits während ihrer generativen Phase als Folge von Mutationsabläufen gebildet haben, womit die oben angedeuteten Spekulationen über eine mögliche Verbindungslinie zu den zitierten Knebel-Hybriden neue Nahrung erhalten.
Bild 4 Epikaktus 'Epi Society' aus der selben Aussaat wie
'Pink Plumes'
Geht man noch einen Schritt weiter, dann fällt es jetzt nicht schwer, auch Wressey Cockes berühmten Hybriden aus seiner 50er-Kreuzung (“Wressey´s Fiftieth“) mit in die Überlegungen einzubeziehen, die bekanntlich aus der Verbindung von ´Ruby Snowflake´ mit der ebenfalls vielpetaligen 'Tassel' (siehe Abb. 3) entstand und eine ganze Anzahl wunderbarer Blüher hervorgebracht hat (vgl. Meier 2008), unter denen sich erneut einige befinden, die “echte“ gefüllte oder zumindest sehr vielpetalige und wie gefüllt aussehende Blüten zu bilden vermögen (z.B. Ruby Pinwheel, ´Curtain Call´, 'Pink Plumes', ´Epi Society´, ´Slightly Sassy´, 'Petal Pusher'). Dabei ist auch die Herkunft des väterlichen Elters völlig unklar. Zwar weiß man, dass er bei einem Liebhaber namens Edward Stephans erstmalig auftauchte, der sie dann ohne jegliche Angaben über ihre Abstammung registrieren ließ, was damals aber im Gegensatz zu heute auch nicht üblich war. Man hat daraufhin angenommen, es handele sich bei ihr um einen Sport der altbekannten Sorte ´Padre´, aber von dieser Theorie ist man inzwischen wieder mangels stichhaltiger Beweise abgekommen (vgl. hierzu die ESA-Directories von 1989 und 1996). Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass diese Pflanze sehr wohl ein Sport ist, von welchem Epikaktus mag dahingestellt sein! Die ungewöhnlichen, aus z.T. mehr als 60 Petalen bestehenden Blumen können wie schon bei Ruby Snowflake eigentlich nur durch spontane Veränderungen im Erbgefüge herbeigeführt worden sein, wobei sich dieses Merkmal aber - anders als bei letztgenannter Pflanze - so gut wie nie weiter vererbt (vgl. Eden 1997). Dieses Verhalten ist jedoch eher typisch bei Sports, so dass sich hieraus für die ´Tassel´ keine verwandtschaftlichen Beziehungen zu Knebels Züchtungen ableiten ließen.
Abb. 5 Die drei neuen gefüllten .........
Es bleibt die Frage offen, was aus den einst real existierenden Sorten 'Heureka' , ´Flore Pleno´ und ´Königin´ des Weiteren geworden ist. Auffallend ist zunächst, dass nur wenige Abbildungen von den Sorten Nr. 92, 93 und 94 existieren. Es gibt wahrscheinlich nur die beiden “offiziellen“ Schwarzweißaufnahmen in der “Monatsschrift der DKG“ von 1932, auf der alle drei neuen Kultivare (Abb. 5) in stark verkleinerter Form mehr schlecht als recht zu sehen sind sowie eine qualitativ viel bessere Großaufnahme von der 'Heureka' im Heft 4/1934 der “Kakteenkunde“, hier noch als ´Mussolini´ aufgeführt (siehe die beiden Repro-Aufnahmen Abb. 5, Abb. 6).
Dieselbe Abbildung und eine weitere zieren auch das jahrgangslose Sorten- und Preisverzeichnis von Knebel, das sich jedoch indirekt auf das Jahr 1938, eventuell 1939 datieren lässt, da hier die Gefüllten (allerdings ohne ´Königin´) als „Neuheiten von 1938“ erstmalig zu Preisen zwischen 3,00 Reichsmark für unbewurzelte Stecklinge und 5,00 RM für Jungpflanzen angeboten werden. Mit einem gewissen Erstaunen stellt man fest, dass der Blütendurchmesser der ´Mussolini´ hier mit „20 cm ohne Druck“ angegeben wird, was nach heutiger “ESA-Norm“ immerhin als “large“, also als “groß“ bezeichnet wird. Wenn man bedenkt, was aus den ersten „Blümchen“ und „kleinen Gebilden“, von denen Knebel noch 1934 spricht, in wenigen Jahren geworden ist, dann kann man nur staunen und dies als ein weiteres, nicht alltägliches Phänomen betrachten, das damit auch irgendwie in den Gesamtrahmen einer ungewöhnlichen Epi-Entstehungsgeschichte “hineinpasst“. Das einzige, auch qualitativ befriedigende Farbfoto, das mir bekannt ist, wurde 1952 von Paul Fort höchstpersönlich in seinem Betrieb in Manhattan Beach, Kalifornien (“Country Garden“) aufgenommen (pers. Mitteilung Jerry Williams) und zeigt eine Blüte, die der auf dem Knebel-Photo in der „Kakteenkunde“ bzw. in seinem
Katalog ähnlich ist. Das Fort´sche Original-Dia (mit darauf befindlichen authentischen, handschriftlich vermerkten Hinweisen zur Aufnahmetechnik) wurde mir vor Jahren von Chuck Everson und Jerry Williams (Rainbow Gardens, Vista/ Kalifornien) dankenswerterweise zum Duplizieren zur Verfügung gestellt und ist hier als Bild Nr.7 zu sehen. Diese Abbildung diente wohl auch als Vorlage für zwei Zeichnungen, die im “Directory of Epiphyllums And Other Related Epiphytes“ (Rainbow Gardens 1979 und 1981) auf den Seiten 32A und 41 publiziert wurden.Angesichts der wenigen Jahre, die Knebel für die Produktion von Vermehrungen in der Vorkriegszeit blieben, ist wohl davon auszugehen, dass keine allzu großen Mengen dieser Neuheiten zum Verkauf gelangten. Die Mutterpflanzen mussten ja zunächst einmal eine stattliche Größe erreichen, ehe überhaupt an eine nennenswerte Stecklingsvermehrung gedacht werden konnte. Darüber vergehen aber einige Jahre! Man kann mit Sicherheit sagen, dass zumindest die Fa. Fort & O´Barr in Manhattan Beach noch Material aus Erlau erhielt, das dann bis in die 50er Jahre hinein noch existiert haben muss, wofür ja obiges Farbbild als Beweis gelten kann. Gerüchteweise sollen darüber hinaus auch die Gärtnerei “Cactus Pete“ in Los Angeles sowie einige wenige private Liebhaber mit den neuen Sorten beliefert worden sein, worüber mir aber keine detaillierteren Kenntnisse vorliegen. Dies alles müsste sich vor 1939 abgespielt haben, denn spätestens mit Beginn des 2. Weltkrieges wurde der Versandhandel ins Ausland nahezu unmöglich, und auch im eigenen Land hatte man jetzt andere Sorgen, als sich seinem Hobby zu widmen. Viele Gärtnereien, darunter auch der Knebel´sche Betrieb, wurden verpflichtet, dem “Reichsnährstand“ beizutreten und Kartoffeln, Gemüse oder Obst statt Zierpflanzen anzubauen, um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sicher zu stellen.
Abb. 6 Epikaktus ' Mussolini', später 'Heureka'.
(Reproduktion aus Knebel 1932)
In den Wirren der Kriegsjahre und den brennstoffknappen, ungewöhnlich kalten Wintern der Nachkriegszeit ist praktisch der gesamte Bestand an Knebel´schen Kulturen erfroren (Schliebener 1988), und die wenigen, eventuell noch hier und da vorhandenen Exemplare der gefüllt blühenden Sorten in Deutschland und Europa dürften mit großer Wahrscheinlichkeit aus den gleichen Gründen verloren gegangen sein. Nur in Übersee könnten noch einige wenige Pflanzen überlebt haben.
So stieß ich bei meiner in früheren Jahren sehr intensiv geführten Suche nach dem Verbleib besagter Sorten zufällig auf einen in Chile lebenden Liebhaber, der mir versicherte (briefliche Mitteilung aus dem Jahr 1977), eine der gefüllten Formen noch kurz vor Kriegsbeginn aus Erlau erhalten zu haben. Er habe sich durch seine zahlreichen beruflich bedingten Auslandsaufenthalte aber nicht mehr richtig um seine Pflanzen kümmern können und wisse deshalb nicht mit Sicherheit, ob diese Züchtung unter seinen Epis noch existiere.
Bild 7 Epikaktus 'Heureka', Bild von Paul Fort aus dem Jahr 1952.
Sortenechtheit, so hörte ich verschiedentlich, könne man sich allerdings nicht mehr allzu sehr verlassen, da im Laufe der Zeit und unter „Publikumseinwirkung“ (z.B. durch Vertauschen der Original-Stecketiketten oder auf Grund illegaler Entnahmen von Stecklingen) vieles durcheinander geraten oder gar verloren gegangen sei. Diese von mir mit besonderer Aufmerksamkeit gehegte Pflanze mochte dann sehr wohl eine der weiß blühenden Sorten aus Erlau gewesen sein, aber die erhoffte Knebel-Nr.94 war sie bedauerlicherweise dann ebenfalls nicht! Auch Dr. Stauch aus Worms, mit dem ich seinerzeit bis zu seinem viel zu frühen Tod in 1986 sehr verbunden war, und dem ich mein frühes Interesse an epiphytischen Kakteen verdanke, versuchte jahrelang sehr engagiert aber letztendlich vergeblich, wenigstens einen dieser Kultivare noch irgendwo ausfindig zu machen.
Vor einiger Zeit erzählte mir Rudi Dorsch, er habe möglicherweise die echte 'Heureka' von einem ihm bekannten Epi-Liebhaber in Kalifornien erhalten. Nach allem, was ich bisher bei der Suche nach Knebels Gefüllten erlebt und erfahren hatte und nach nüchterner Abschätzung der Chancen, sie in der heutigen Zeit überhaupt noch lebend vorzufinden, habe ich dieser Information zunächst keine große Bedeutung beigemessen. Etwas später hörte ich dann von Klaus Rippe, der von Rudi einen Steckling erhalten hatte, dass seine Pflanze inzwischen in Spanien geblüht habe und er ihre “Echtheit“ nicht völlig ausschließen möchte. Noch habe sie jedoch ihre attraktiven Blumen erst ein einziges Mal gezeigt und um Genaueres sagen zu können, müsse man noch weitere Blühperioden abwarten. Dies ist mittlerweile geschehen, und, um es kurz zu fassen, der “Verdacht“ auf ihre Authentizität hat sich auf Grund bestimmter Blütenmerkmale eher erhärtet, ohne allerdings volle Gewissheit zu bringen. Das Foto (siehe Bild 6) hilft ebenfalls nicht viel weiter, da sich hierauf Ähnlichkeiten mit den zitierten früheren Abbildungen nicht eindeutig genug feststellen lassen.
Bild 8 'Rudis Heureka'.
Neugierig geworden entschloss ich mich nun doch, meine skeptische Haltung gegenüber dieser Pflanze, die vorläufig bei uns noch unter dem provisorischen Namen 'Rudis Heureka' geführt wird, aufzugeben und versuchte, über Rudi Dorsch weitere Einzelheiten über sie in Erfahrung zu bringen. In einem längeren Telefongespräch nach Texas, USA, konnte er mir zunächst nur mitteilen, dass er einen Steckling dieses Kultivars von einem gewissen Greg Balvin aus San Diego, jetzt wohnhaft in Springfield, Ohio, erhalten habe. Einen Tag später konnte mir Rudi nach telefonischer Rücksprache mit Mr. Balvin vermelden, dass dieser die Pflanze vor ca. 25 Jahren als 'Heureka' von einem Liebhaber namens Charles Horn aus Whittier nahe Los Angeles bekommen habe, der seinerzeit mit dem Inhaber der Fa. “Cactus Pete“ in L.A. gut bekannt war, so dass dieser Betrieb mit großer Wahrscheinlichkeit als „Quelle“ für diese Pflanze gelten kann. Diese Gärtnerei gehörte aber, wie wir schon gehört haben, eventuell auch zu den wenigen Adressen, die noch mit Original-Pflanzenmaterial der Knebel´schen Neuheiten beliefert worden sind. Somit besteht - jedenfalls theoretisch - durchaus die Möglichkeit, dass 'Rudis Heureka' sogar aus klonalen Vermehrungen einer der “historischen“ gefüllt blühenden Sorten hervorgegangen ist, was uns allein Verpflichtung sein muss, sie in ihrer Existenz zu sichern, auch wenn ihre endgültige Identität noch nicht völlig geklärt ist.
Literatur | ||
---|---|---|
Eden, Raymond (1997) : | Curt Knebel and the First Multi Petaled Hybrids; ESA-Bulletin 53(1): 9 | |
Eden, Raymond (1997) : | Multi Petaled Flowers; ESA-Bulletin 53(1): 5-7 | |
Knebel, Curt (1932) : | Über die Entstehung neuer Arten; Monatsschrift der DKG IV(1): 30-31 | |
Knebel, Curt (1934) : | Gefüllte Phyllokakteenblüten; Kakteenkunde Heft IV:70 | |
Knebel, Curt (?1938) : | Sorten- und Preisverzeichnis (o.J.) | |
Knebel, Curt (1951) : | Phyllokakteen, Stichnote-Verlag, Potsdam | |
Meier, Eckhard : | Wressey´s Fiftieth; Kaktusblüte, April 200 | |
Schliebener, Claudia (Hsg.) : | Phyllokakteen-Sortenverzeichnis nach Curt Knebel, Hoyerswerda 1988 | |
Werdermann/Socnic (1938) : | Meine Kakteen, Gartenbauverlag Trowitzsch & Sohn: 229 |
Der Artikel 'Knebels "Gefüllte" eine Spurensuche', wurde in der EPIG Ausgabe 61/2008 veröffentlicht.
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion der EPIG.